abgelegt und umgedreht

Prägedaten, Initialen oder Namen verlaufen auf der Innenseite des Eheringes und erinnern den Träger an Treue, Partnerschaft und den Tag des vergangenen Ereignisses. Das Gedenken berührt unmittelbar das Fleisch der Träger und zeigt dem potentiellen Gegenüber den Stand der Ehe an: eine rituelle Form des sich Erinnerns im Sinne eines Einprägens im ursprünglichsten Sinne.

Für unseren Remembering wurde ein abgelegter familienhistorischer Ehering verwendet, dessen Erinnerungsspanne durch das Umstülpen sichtbar gemacht wird.
Mit dem Akt des Umdrehens ändert sich auch die Qualität der Erinnerung. Namen und Daten werden veröffentlicht und somit Gegenstand von Gesprächen, Erläuterungen, Reflektionen und Analysen. Die Daten lösen sich von der Haut und die Familiengeschichte tritt hervor, wird sichtbar und bleibt distanziert.
Die silberne gewölbte „Ringschiene“ bettet den gewendeten Ring nicht nur ein, sondern unterstützt diesen Vorgang des Distanznehmens, indem noch ein Metall zwischen die Haut und die Familiengeschichte tritt. Das Ringdokument bleibt dabei beweglich.

Die Familiengeschichte des Ringes ist abgeschlossen. Auf dem Ring haben Daten und Namen dreier Generationen Platz. Die Tragedauer des Ringes reicht von 1880 – 1979. Dies entspricht dem Zeitraum der mündlichen Überlieferung. Danach müsste ein Name ausradiert werden, damit der Ring einen neuen aufnehmen kann.
Mit unserem Konzept eines umgedrehten Eheringes haben wir beschlossen, diesen Teil der Familienerinnerung festzuhalten und nicht weiter fortzuschreiben. Dabei entsteht ein neues Ritual das Vergangene sichtbar zu machen.

Susanne von Bülow und Alexandra Ridder














 

Die abgelegten Eheringe meiner Großeltern

1880 wurde der Männerring zuerst getragen von meinem UrUrUrgroßvater Eduard Carp. Nach dem Tod seiner Frau wurden beide Ringe an meine Großeltern weitergegeben.
1938 hat ihn mein Großvater Gustav über den Finger gestülpt. 6 Jahre später erhielt ihn meine Großmutter Dorle als einziges Überbleibsel ihres Mannes aus dem Krieg zurück. Meine Großmutter heiratete den Bruder ihres Mannes Konrad 1945 im Februar vor Kriegsende.
Der Ring wurde von drei Männern 84 Jahre getragen. Der Frauenring von zwei Frauen 118 Jahre. Der materiell schlechte Zustand des Frauenrings mit seinen spitzen Kanten und der gute Zustand des Männerringes zeigen die jeweilige Tragik der geschlechtsspezifischen Geschichte des 20. Jahrhunderts.
Als meine Großmutter im Jahre 2000 starb und ich im gleichen Jahr heiratete, beschloss mein Mann diese bedrohliche familiäre Statistik der Männer nicht fortzuführen und verzichtete auf den Ring.
Ich habe dann als erste Frau den Ring der verstorbenen Männer getragen, solange bis meine Tochter den Ring beim Wickeln verschluckte, was sowohl für meine Tochter wie auch für den Ring folgenlos blieb. Der Gedanke, dass meine kleine, zarte Tochter soviel Familiengeschichte geschluckt und sich einverleibt hatte, bewegte mich dazu, die Geschichte des Ringes künstlerisch sichtbar zu machen.

Susanne von Bülow