Vanishing War
Zurück aus den Vogesen sortiere ich meine neuen Blaubeerbilderbilder vom Lingekopf, aus Bonhomme und Glasborn-Linge – den Orten meiner diesjährigen Exkursion in die Konfiktlandschaften aus dem ersten Weltkrieg in den Vogesen.
Dort wo Granaten einschlugen und Menschen zu tausenden ihr Leben ließen, grasen hier heute Kühe und ich finde reife sowie stark eisenhaltige Blaubeeren vor. Wanderwege durchkreuzen die Routen alter ausgehobener Schützengräben und ich genieße die Schönheit dir überwachsenen Felder mit Blick auf das Münstertal.
Die lang verlassenen Schlachtfelder sind von den überwucherten Gräben und künstlichen Demarkationslinien durchzogen. Trichterrunde Bombenkrater werden zu von Brombeeren oder Ginster gefüllten Landmarken in einem Gelände, dessen eigentümliche Schönheit mich immer wieder anzieht.
Von oben gleichen die Felder kurz vor den Abhängen der Hautes-Voges einem schlecht geplätteten Kuchenteig mit unzähligen weichen Dellen, Erdanhäufungen, Steinversammlungen oder Schwellen, die von Farnen und Gräseren überkrautet sind. Ihre Untiefen sind mit der Zeit fast unsichtbar geworden und werden einem immer dann jäh bewußt, wenn man in sie hinein stolpert.
Unwissende wandern ahnungslos durch diese Landschaft hindurch, ohne die Spuren des Schlachtens zu dechiffrieren und die kilometerlangen Furchen als grabestiefe Totenmale eines nicht enden wollenden Schützengrabens zu erkennen, der in deutscher, belgischer, französischer oder englischer Variante von der Schweiz hoch bis an die Nordseeküste von professionellen Männerhänden angelegt wurde.
In Rahmen meines Projekt Vanishing War, welches über die fünf Kriegsjahre hundert Jahre nach dem ersten Weltkrieg die Kriegs- und Schlachtorte mittels Blaubeermalerei zu beschreiben versucht, besuchte ich erstmals einen museal aufbereiteten Geschichtsort, um auch dort mit den dort wachsenden Blaubeeren tätig zu werden. Wenn in der freien Landschaft auf 1000 Meter Höhe die Bunker und Gräben von der Zeit und von Pflanzen allmählich verwittern und verwachsen, so kämpft ein Geschichtsort wie das Memorial du Linge mit dem wörtlichen, materiellen und ideellen Vergessen.
Erinnern heißt hier die Gräben wieder freilegen, von Moos befreien und die Blaubeeren zwischen dem rostigen Stacheldraht so zu beschneiden, dass man den Draht immer sehen wird – ganz egal wie gut oder schlecht die Blaubeeren schmecken.
Hier oben auf dem Lingekopf kamen sich Deutsche und Franzosen so nah, daß man den jeweiligen Feind beim Kochen und Essen zuhören konnte. Die Ausstellung beschreibt die regionale Kriegsgeschichte und erinnert an das Leben und Überleben, Sterben wie Töten von Deutschen wie Französischen Soldaten in den Jahren des Grande Guerre.
Und so wechselte ich bei meinem diejährigen Aufenthalt in Frankreich vier mal die Orte, um neue Perspektiven der Erinnern und Vergessens sichtbar werden zu lassen, die nun in einer losen Abfolge hier eingestellt und beizeiten überarbeitet werden sollen.
Zurück aus den Vogesen, freue ich bereits jetzt schon wieder auf die Rückkehr nach Orbey.
Herzliche Grüße und bis demnächst
Aktuelle Ausstellungen
Monotypie und Alltag,
Galerie Kunst2, Heidelberg, noch bis zum 24. September 2016
GRUND UND BODEN,
Performative Bodenrichtwertstudie im öffentlichen Raum von Kiel
Gesellschaft für zeitgenössische Konzepte, Kiel, noch bis zum 4. September 2016